Asien.
127
regiert, heißt „der Sohn des Himmels". Die Be-
amten (Mandarinen) haben große Vorrechte und
üben eine tyrannische Macht und Willkührherrschaft
über das Volk aus. Es herrscht übrigens große
Entsittlichung und die Masse des Volkes befindet
sich im Zustande tiefsten Elends, das durch schreck-
liche Bürgerkriege noch erhöht wird. — Die Schrift-
sprache der Chinesen ist eine eigenthümliche. Für
jedes Wort haben sie ein besonderes Zeichen und
die Schriftsprache ist daher sehr schwierig zu erlernen.
o) Die Chinesen sind nicht nur eins der ältesten,
sondern auch der merkwürdigsten Culturvölker der
Erde. Sie sind fleißig, klug, gewerbthätig, erfind-
sam, unternehmende Handelsleute, dabei aber listig,
heuchlerisch, auf ihre eingebildeten Vorzüge kindisch
stolz, gegen Fremde hochmüthig und mißtrauisch.
Viele Erfindungen, z. B. die des Schießpulvers, haben
sie früher als die Europäer gekannt, sie verachten
aber jeden Fortschritt und stehen daher genau auf
derselben Stufe der Bildung, auf welcher sie vor
Jahrtausenden standen, auch ist es ihnen gar nicht
erlaubt, von dem Herkommen und der alten Sitte
abzuweichen. — Früher wurde die strengste Ab-
schließung gegen alle Fremde (Barbaren) beobachtet
und dadurch der Handelsverkehr erschwert; Europäer
durften damals nur nach dem Hafen von Canton
kommen. Doch wird China jetzt seit dem letzten
Kriege mit den Franzosen und Engländern, zum
Theil durch Zwang, dem Handelsverkehr mit Europa
mehr erschlossen.
Von großer Bedeutung ist außer dem Ackerbau
die Industrie. Die Fabrication von Poreellan,
von Seiden- und Baumwollenwaaren (Nan-
king), von Elfenbein- und Schildpattarbeiten,
von lackirten Maaren, von feinem, festen Papier
und vielen andern Dingen ist zur größten Vollkom-
menheit gelangt. Von besonderer Bedeutung ist der
a
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Vorwort.
In einer Reihe von Jahren habe ich beim geo-
graphischen Unterricht in der Sexta und Quinta der
hiesigen Domschule mit Nutzen das kleine Lehrbuch
von Professor Jngerslev zu Grunde gelegt und bin
ich daher gerne bereit gewesen, auf geschehene Auf-
forderung mich einer nothwendigen und zeitgemäßen
Umarbeitung des Buches zu unterziehen. —
Indem ich nun der Schule das so entstandene
neue Buch übergebe, erlaube ich mir, Eins hervor-
zuheben, daß nemlich die Umarbeitung namentlich
in Beziehung auf die physische Beschreibung der ein-
zelnen Länder stattgefunden hat, indem ich es für
zweckmäßig hielt, in dieser Hinsicht eine solche Er-
weiterung eintreten zu lassen, daß das Buch auch
für eine Quarta ausreichend sein würde.
Nach meinem Dafürhalten konnte bei der Be-
nutzung des Buchs in Gymnasien und Realschulen
der Stoff etwa in folgender Weise auf die drei
untern Classen, wenn jede einen einjährigen Cursus
hat, vertheilt werden:
In Sexta. Das Wichtigste aus der Einleitung
und Europa. Was aber die Beschreibung der phy-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Iv
Vorwort.
sischm Beschaffenheit betrifft, so hätte man sich in
dieser Claffe auf den in der Uebersicht (S. 23—28)
gegebenen Stoff zu beschränken, indem bei den ein-
zelnen Staaten durchweg die kleineren Abschnitte,
welche die Physische Beschaffenheit nebst Klima und
Producten ausführlicher behandeln, übergangen wur-
den; auch könnte in dieser Claffe das mit kleiner
Schrift Gedruckte übergangen werden.
In Quinta. Wiederholung der. in Sexta durch-
genommenen und dann die übrigen Welttheile iu
derselben Weise wie in Vi; jedoch könnte das mit
kleiner Schrift Gedruckte mitgenommen werden.
In Quarta möge dann das ganze Buch durch-
genommen und sorgfältig eingeprägt werden. Ist der
ganze Stoff in dieser Claffe geistiges Eigenthum des
Schülers geworden, so dürfte eine Grundlage vorhan-
den sein, auf welcher in Tertia u. s. w. sicher weiter
fortgebaut werden könne.
Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß das
Buch auch in Oberclassen gehobener Volksschulen mit
Nutzen beim geographischen Unterricht gebraucht
werden könne.
Schleswig, den 31. Mai 1867.
H. P. H. Grttnftld.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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346
weicht er auch in vielen Stücken sehr wesentlich von ihnen ab. Er ist
ruhiger, als alle übrigen Mitglieder der Katzcnfamilie, und liebt deshalb
größere Streifzüge durchaus nicht, sondern sucht es sich so bequem zu
machen als möglich.
Seine Lebensweise ist eine rein nächtliche, nur gezwungen ver-
läßt er am Tage sein Lager. Bei Tage begegnet man ihm äußerst selten;
im Walde nur, wenn man ihn durch Hunde auftreibcn läßt; dagegen sieht
man ihn einzeln, obgleich selten, von einem erhabenen Punkt Umschau über
die Gegend halten, wahrscheinlich um die Beute auszukundschaften. Erst
mit der Nacht zeigt er sich allgemein sind kündet durch donnerartiges Brüllen
seine Wache und den Beginn seiner Streifzüge an.
69. Das Gebrüll des Löwen.
Man begreift, daß alle Thiere, welche diesen fürchterlichen Räuber
kennen, vor Entsetzen fast die Besinnung verlieren, sobald sie ihn nur brüllen
hören. Dieses Gebrüll ist bezeichnend für das Thier selbst. Man könnte
es einen Ausdruck seiner Kraft nennen, es ist einzig in seiner Art und wird
von keiner Stimme eines andern lebenden Wesens übertroffen. Die Araber
haben ein sehr bezeichnendes Wort dafür, sie nennen es donnern. Be-
schreiben läßt sich das Löwcngebrüll nicht. Tief aus der Brust scheint es
hervorzukommen und scheint diese zersprengen zu wollen. Es ist schwer,
die Richtung-zu erkennen, von woher cs erschallt, denn der Löwe brüllt
gegen die Erde hin, und auf dieser pflanzt sich der Schall wirklich wie
Donner fort.
Unbeschreiblich ist die Wirkung, welche des Königs Stimme unter
seinen Unterthanen hervorruft. Die heulende Hyäne verstummt, wenn
auch nur auf Augenblicke, der Leopard hört auf zu grunzen, die Affen
beginnen laut zu gurgeln und steigen angsterfüllt zu den höchsten Zweigen
empor. Die blökende Herde wird todtcnstill; die Antilopen brechen
in rasender Flucht durch'- Gezweig ; das beladene Käme el zittert, gehorcht
keinem Zurufe seines Treibers mehr, wirft seine Lasten, seinen Reiter ab
und sucht sein Heil in eiliger Flucht ; das Pferd bäumt sich, schnauft,
bläst die Nüstern auf und stürzt rückwärts; der nicht zur Jagd gewöhnte
Hund sucht winselnd Schutz bei seinem Herrn : kurz Freiligrath's Be-
schreibung ist vollkommen richtig:
„Dem Panther starrt das Rosenfell,
Erzitternd flüchtet die Gazell',
Eö lauscht Kameel und Krokodil
Des Königs zürnendem Äebrüll."
Und selbst der Mann, an dessen Ohr zum ersten Mal diese Stimme
schlägt, in der Nacht des Urwaldes, selbst er fragt sich, ob er auch Held
genug sei dem gegenüber, welcher diesen Donner hervorruft.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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371
87. Das Kameel.
Die eigentlichen Kameele, welche in der Alten Welt leben und mit den
Lamas der Neuen Welt eine zusammengehörige Familie ausmachen, sind
große mißgestaltete, aber zum Lasttragen sehr geeignete Thiere, welche seit
den ältesten Zeiten als Hausthiere dienen.
Es giebt zwei Arten dieser Gattung, eimzweibuckeliges, das gewöhnlich
Kameel heißt,und ein einbnckeliges, welches auch Dromedar genannt wird.
Das zwcibuckclige Kameel, das auch durch einen hohen Scheitel von
dem Dromedar unterschieden ist, findet sich minder zahlreich, als das letztere,
hauptsächlich nur in den Ländern von Jnnerasien bis an die chinesische
Grenze; die Mongolen reisen mit ihm bis zum See Baikal. Es ist größer
und kräftiger, als
das Dromedar,
und verträgt auch
mehr Kälte. Die
russische Armee
führte im Jahre
1814 mehrere
mit sich nach
Deutschland. In
Italien wurde cs
durch den Her-
zog Leopold von
Toskana einge-
führt, wo es sich
in wenig Jahren
vermehrte und
zum Nutzen des
Landes verwen-
det wurde. Die
Kameelstuterei befindet sich in der Nähe von Pisa und besteht aus etwa
400 Stück; auch im südlichen Spanien sind sie jetzt einheimisch.
Die stärksten tragen eine Last von 12—1500 Pfund.
Wenn sie lange gehungert haben, verschwinden fast beide Buckeln, in
denen jedoch bei guter Nahrung das Fett sich wieder sammelt.
Das Dromedar hat nur einen Höcker und ist weniger häßlich. Es ist
über ganz Mittelasien wie hauptsächlich über Nordafrika verbreitet. Der
Araber, welcher es das Schiff der Wüste nennt, kann es zur Durch-
reise der wasserleeren afrikanischen Wüsten nicht entbehren; das innere
Afrika würde ohne das Dromedar noch weit mehr, als es jetzt ist, ein unzu-
gänglicher Theil der Erde sein.
Schon in ihrer frühesten Jugend werden die Dromedare an Entbehrungen
aller Art gewöhnt, zum Niederknieen gebracht und gezwungen, in dieser Lage zu
verweilen. Später erhalten sie eine beträchtliche Last aufgebürdet, die einer
24'
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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Extrahierte Personennamen: Leopold_von
Toskana Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Spanien Nordafrika Afrika
451
geflossen. Wie noch heute an flüssigen Harzen sind Blätter und Moose,
ja selbst kleine Thiere, namentlich Infecten, aus ihm haften geblieben und
überlaufen, so daß sie jetzt wie in einem klaren Glase mit ihren feinsten
Theilen aufbewahrt sind. Alle diese Thiere und Pflanzen leben nicht mehr
auf der Erde, und da der Reichthum im Bernstein so groß ist, daß man
z. B. schon mehr als 200 verschiedene Arten Spinnen, die sämmtlich seitdem
von der Erde verschwanden, darin erkannt hat, so hat man fast eine ganze
Naturgeschichte des Waldes herstellen können, welcher den Bernstein lieferte,
und ersichtlich den Rand des benachbarten finnischen Meerbusens nicht bloß
als ein Küstenwald, sondern auch als ein höher aufsteigender Gebirgswald
umsäumte. Es giebt keinen Stein, der in alle Gebiete des menschlichen
Wissens, in die Naturlehre und die Chemie, die Naturgeschichte der Jetzt-
welt und der Vorwelt, ja in die Geschichte und Geographie so bedeutsam
hineinragt, als der Bernstein, den man in jeder Beziehung mit Fug den
preußischen Edelstein nennen kann.
142. Das Eisen.
Die ersten Werkzeuge, deren sich der Mensch bediente, waren sicherlich
harte, in ihrer Gestalt zum Schneiden, Sägen, Schöpfen und dergleichen
von der Natur dargebotene Muscheln. Nach und nach lernte der Mensch
mit deren Hülfe aus Knochen, Horn und Holz sich bessere Geräthe
schaben, immer aber fehlte allen die nöthige Härte, Schärfe und Dauer-
haftigkeit. Diese erreichte er zuerst durch Steine, welche ähnlich dem Glase
zerspringen und dabei scharfe Kanten geben. Dazu nahm er in vulkani-
schen Gegenden wahrhaft geschmolzene vulkanische Gl ä ser, in unserem
Nordteutschland die Feuersteine, welche an Härte und Dauerhaftigkeit
nichts zu wünschen übrig lassen. Erst ganz allmählich lernte der Mensch
die Metalle für diesen Zweck benutzen. Von den Metallen kommen
nur sehr wenige im gediegenen Zustande in der Natur vor, die meisten
anderen sind vererzt, das heißt mit Sauerstoff verbunden, sozusagen
verrostet oder mit Schwefel verbunden. Die letzteren, welche man Kiese
nennt, sind meist noch metallähnlich glänzend und dadurch die Aufmerksam-
keit anlockend, aber sonst in diesem Zustande unbrauchbar, wie z. B. die
theils messinggelben, theils bunt angelaufenen Kupfererze. Die verrosteten
Metalle dagegen sehen in der Regel wie Steine aus, heißen deshalb auch
Eisensteine, Zinnsteine u. s. w. und sind nur durch das hohe Gewicht dem
Menschen auffallend, aber in der Regel leicht zu Metall nieder zu schmelzen.
Gold, Silber und Quecksilber, die drei wichtigsten edlen Metalle,
kommen gediegen vor, das Quecksilber nur in spät eröffneten Bergwerken
in kleinen Tröpfchen, das Silber mit anderen Erzen gemeinschaftlich eben-
falls nur auf Bergwerken, das Gold aber in Form von Staub, ja selbst
in Flittern und großen Brocken im Sande der Flüsse und im gemeinen
Lehm nahe den Gebirgen, weil das Waffer diesen über 20 mal schwereren
Körper nur bewegen konnte, wo es noch stürmisch floß.
29
TM Hauptwörter (100): [T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
494
Edlen große Gutsherrschaften bilden, vertrieben die Bauern aus ihren Dörfern,
rissen die Gebäude nieder und machten sich die Uebriggebliebenen dienstbar. Vor
allem beförderten dies die verderblichen Kriege, die Naubzüge Waldstein's und
Tilly's, worin Dörfer, ja ganze Kirchspiele in Asche gelegt und verödet wurden. Die
Hufen blieben unbestellt und lagen wüste. So verschwanden unzählige Dörfer mit
ihren uralten Hufen, und manche Güter tragen noch den Namen eines Dorfes und
die Kampe derselben den Namen der verschiedenen Feldmarken. — Je größer
die Güter wurden, desto mehr Arbeitskräfte gebrauchte man, um sie zu bewirth-
schaften. Die Bauern verließen wegen der unerschwinglichen Frohnden bald ihre
Hufen, und die Taglöhner, die für geringen Lohn arbeiten mußten, zogen dahin,
wo es mehr zu verdienen gab. Da begannen die Gutsherren zu fürchten, daß sie
nicht mehr ihre Güter bewirthschaften könnten, und deswegen wurden die Unter-
gehörigen an den Grund und Boden, wo sie geboren waren, gefesselt und an die
Scholle gebunden; sie durften das Gut nicht verlassen, nicht auswärts Arbeit und
Verdienst suchen, mußten dem Herrn bestimmte persönliche Dienste leisten, gegen
den Willen derselben keinen andern Beruf lernen, ihm einen Erb- und Unter-
thaneneid schwören, d. h. sie wurden leibeigen, ihr Leib ward Eigenthum des Herrn.
Wohl gab es viele wohldenkende Gutsbesitzer, die ihre Untergebenen milde und
gütig behandelten; andere aber mißbrauchten furchtbar ihre Gewalt und waren
menschenfeindlich gegen ihre Leibeigenen gesinnt. So war einmal ein fremder
Edelmann bei einem Herrn v. Rumohr auf Rundhof zum Besuch und bemerkte
verwundert und mißfällig die silbernen Knöpfe an der Kleidung eines Leibeigenen.
„Was meine Bauern haben," antwortete Rumohr, „das werden sie gerne bereit
sein mir zu geben, wenn ich es bedürfen sollte." Der Fremde zweifelte daran, da
gingen sie eine Wette ein. Im nächsten Umschlag ließ darum der Gutsherr aus
Kiel die Nachricht nach Rundhof kommen, er sei im Einlager und bäte, man möge
ihm helfen mit Gold und Silber. Da brachten die Bauern alles zusammen, was
sie hatten und wollten es ihrem guten Herrn schicken; dieser aber hatte seine Wette
gewonnen. Dagegen vertauschten andere ihre Leibeigenen gegen Jagdhunde und
spielten statt um Geld, um ihre Untergebenen Karten. Unermeßliche Schläge und
Mißhandlungen aller Art hatten die armen Menschen auszustehen und mußten
tagelang gefesselt auf einem vor demherrnhause aufgerichteten Esel sitzen. Darum
hatten die Leibeigenen auch das Gefühl ihrer menschlichen Würde verloren. „Jk
bin man en eegen Minsch," antworteten sie, wenn auf der Landstraße nach ihrer
Heimat und Herkunft gefragt wurde. Dagegen war der freie Bauer in den hol-
steiuschen Marken ein ganz anderer Mann:
Friske, stolte Degen,
de ehr Hoved in den Wolken dregen.
Schon früh waren die oldenburgscheu Fürsten bemüht, die Leibeigenschaft zu
mildern, aber die meisten Gutsherrn weigerten sich, auf ihre Vorschläge einzugehen.
Nur wenige waren es, die mit gutem Beispiel vorangingen und deren Namen
unser Land mit Stolz nennen darf. Im Jahre 1688 erklärte Christoph Rantzau,
Erbherr von Schmool, Hohenfelde und Oevelgönue, der sich früher durch harte
Behandlung der Leibeigenen und durch grausame Verfolgung vermeintlicher Hexen
hervorgethan hatte, daß er den elenden Zustand der ewigen Leibeigenschaft mit
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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495
großem Mitleiden bei sich erwogen und es der Natur und der Vernunft zuwider
befunden habe, daß Christen eine solche Gewalt über ihre Mitmenschen, Brüder
und Schwestern ausübten, und stellte für sich und seine Erben allen seinen Leib-
eigenen Freibriefe aus. Im Jahre 1740 folgte ihm der Graf Hans Rantzau auf
dem Gute Aschberg und bald viele andere, worunter sich der Besitzer von Eckhof,
Graf Holk, durch seine edle und menschenfreundliche Gesinnung auszeichnete. Er
trug für einen guten Volksunterricht Sorge, belohnte den Fleiß seiner Bauern und
ihrer Frauen durch Ertheilung von Prämien und, ehe er durch eine große Feier-
lichkeit am 15. Oktober 1786 alle aus der Leibeigenschaft entließ, hatte er sich den
ganzen Sommer über bemüht, die Leute über ihre künftige Freiheit aufzuklären.
Schon hatte auch die Regierung, um neue Dörfer zu gründen, viele Domänen
(Staatsgüter) niedergelegt, in kleine und größere Parzelen getheilt, verkauft und
in Erbpacht gegeben. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aber gedachte der
edle Prinz-Regent, der spätere König Friedrich Vi., und sein trefflicher Minister
Graf Andreas Peter von Bernstorf, ganz und gar die Leibeigenschaft aufzuheben.
„Es scheint mir", sagte der Prinz einem Grasen Reventlow, der ihm über den
Zustand der Leibeigenen Bericht erstattete, „als ob man in einer so wichtigen Sache
keinen Tag verlieren darf; kann man nicht ebenso gut heute anfangen zu arbeiten,
als morgen?" Im Königreich konnte er, als unbeschränkter Herrscher, ohne weiteres
verordnen, daß die Leibeigenschaft mit dem 1. Januar 1800 aufhören solle; in
den Herzogthümern aber mußte er nach den Rechten des Landes erst die Ritter-
schaft fragen. Der Graf Bernstorf benutzte seine Reisen nach Holstein und seinen
Aufenthalt auf seinen Gütern, die Sache bei seinen Standesgenosfen in Anregung
zu bringen. Nach langen Unterhandlungen ward endlich auf Grund königlicher
Resolution am 19. Dezember 1804 die Verordnung veröffentlicht, worin es heißt:
„Damit der fleißige Landmann noch mehr Gelegenheit erhalte, sich und den Seinigen
durch Feldbau Unterhalt zu verschaffen und Vermögen zu erwerben:
Ist die Leibeigenschaft in den Herzogthümern Schleswig und Holstein vom
1. Januar 1805 an gänzlich und für immer abgeschafft, ohne irgend eine Ausnahme."
Also wurden durch des Königs Gnade 20,000 Familien frei.
19. Aus der Zeit der deutschen Freiheitskriege.
1. Sine Stimme aus Schleswig.
Der räuberische Ueberfall Kopenhagens von Seiten der Engländer im Sep-
tember 1807, erzählt der Flensburger Elvers, hattedänen, Norweger undschles-
wig-Holsteiner gleich tief erbittert, die Erinnerung an die glorreichen Apriltage
im Jahre 1801 und an den rühmlichen Kampf mit Nelson von neuem geweckt
und die Liebe zu König und Vaterland gestärkt und gekräftigt, so daß die schweren
Verluste, welche eintraten, mit Geduld ertragen, die großen Opfer, die man
forderte, freudig dargebracht wurden, und alle sich nur um so inniger an den ge-
liebten Kronprinzen und späteren König Friedrich Vi. anschlossen. Dennoch war
das Verhältniß Schleswig-Holsteins zu England durch Volksart und Abstammung,
sowie durch Handel und Verkehr zu alt und innig, als daß eine dauernde feindliche
Entfremdung Raum gewinnen konnte. Dazu kam, insbesondere in den deutschen
Elementen Schleswig-Holsteins, der durch die Gewaltthätigkeiten in Deutschland
hervorgerufene Haß gegen Napoleon, welcher sie um so geneigter machte, die von
England widerfahrene Unbill zu vergessen und zu vergeben und nun mit ihm und
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Hans_Rantzau Holk Friedrich_Vi Friedrich Andreas_Peter_von_Bernstorf Reventlow Bernstorf Friedrich_Vi Friedrich Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Aschberg Eckhof Holstein Holstein Schleswig Norweger Schleswig-Holsteins Schleswig-Holsteins Deutschland England
498
20. Slsmus Jacob Carstens, der Maler.
Asmus Carstens wurde im Jahre 1754 am 10. Mai zu Sanct Jürgen,
einem kleinen Dorfe nahe bei Schleswig, wo sein Vater Müller war, geboren.
Seine Mutter war die Tochter eines Advocaten in Schleswig und hatte in ihrer
Jugend eine vorzügliche Erziehung erhalten, welche sie in den Stand setzte, ihre
Kinder besser zu erziehen, als sonst unter den Dorfbewohnern damaliger Zeit zu
geschehen pflegte. Asmus ging bis in sein neuntes Jahr, wo sein Vater starb,
in die Schule seines Heimatdorfes und wurde dann von seiner sorgsamen Mutter
in die Domschule des nahen Schleswig geschickt. Mittags sollte er bei einem Ver-
wandten in der Stadt speisen, aber das gefiel ihm nicht, und er bat seine Mutter,
ihm täglich sein Mittagsessen, Butterbrot und Obst, mitzugeben, welches er dann
meistens in der nahen ofienen Domkirche verzehrte. Bald ward der Dom wäh-
rend seiner freien Mittagsstunden sein Lieblingsaufenthalt. Hier sah er schöne
Gemälde von dem Maler Jurian Ovens aus Tönning, die ihn bald so fesselten,
daß er, während seine Kameraden auf dem Kirchhofe spielten, mit seinem Butter-
brot in den Dom schlich und über Stühle und Bänke hinwegkletterte, um die
wundersamen Gemälde in der Nähe zu schauen. Da vergaß er denn alles um
sich her; ein heißer Wunsch, auch einmal so etwas machen zu können, erfüllte ihn,
und oft betete er mit inniger Sehnsucht, Gott möge ihm die Gnade verleihen, daß
er auch einst zu seiner Ehre so herrliche Bilder malen könne. So erwachte in
ihm zuerst der Hang zur Kunst und er begann, alle Gegenstände, die ihm vor-
kamen , am liebsten aber Gesichter zu zeichnen. Alle Leute, die ihm nahe kamen,
mußten ihm sitzen, und meistens gelangen seine Nachahmungen so kenntlich, daß
er bald unter den Leuten im Dorfe, die dergleichen niemals gesehen hatten, ein
großes Aufsehen mit seiner Kunst erregte.
In der Schule aber stand es dafür desto schlechter mit seinem Ruhme. Sein
Geist war gewöhnlich abwesend entweder im Dom bei Jurian Oven's Gemälden
oder zu Hause bei seinen Farbenmuscheln. Er lernte nie rechnen, und der Rechen-
meister fand öfter Gesichter und Figuren, als Zahlen auf seiner Tafel. Er wußte
unter den Lernenden immer am wenigsten, und weder Scheltworte noch Drohungen
vermochten ihn aus seiner anscheinenden Geistesträgheit aufzurütteln, so daß die
Lehrer ihn für einen erzdummen Jungen hielten. So verließ Carstens mit 16 Jah-
ren die Schule so unwissend, daß er in der Folge wenig oder nichts von dem dort
Gelernten zu vergessen hatte.
Seine Rückkehr in's elterliche Haus war von dem festen Entschlüsse begleitet
ein Maler zu werden, und seine treffliche Mutter willigte gern in sein Verlangen
und wollte ihn bei einem berühmten Maler Tischbein aus Kassel ausbilden lassen.
Dieser aber verlangte, daß er während der ersten Jahre zugleich die Stelle eines
Bedienten vertreten und hinter der Kutsche stehen solle, wenn er ausfahre. Das
wollte Asmus nicht, und deshalb zerschlugen sich die Unterhandlungen. Ehe aber
seine Mutter einen andern Lehrer gefunden hatte, starb sie und ließ ihre Kinder
als Waisen zurück. Die Mühle ward verkauft, und den Kindern, die das väter-
liche Haus verlassen mußten, wurden Vormünder gesetzt. Diese wollten nun nicht
zugeben, daß ihr Mündel sich einer nach ihrer Meinung so brotlosen und unnützen
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